Flüchtlingshilfe Lemgo modern organisiert
Ein digitales Hilfsnetzwerk entstand innerhalb weniger Tage. Dank Baukastensystems podio.
Bei der großen Verwaltungs- und Koordinationskrise unserer Gesellschaft im Jahr 2015, als Hunderte Flüchtlinge im Monat in unserer Stadt Lemgo aufgenommen werden mussten, konnte ein Netzwerk von 250 Bürgern in geordneter Zusammenarbeit mit SozialarbeiterInnen und Ehrenamtlichen der 9 Kirchen die Leistungen der Flüchtlingshilfe digital koordinieren.
Podio als geeigneter Software-Baukasten
Die Kirchengemeinde St. Pauli als eine von 9 Gemeinden der Kleinstadt Lemgo verantwortete und koordinierte für Stadt Lemgo und Kirche gemeinsam die Lemgoer Flüchtlingshilfe. Dazu wurde ein Sozialarbeiter angestellt. Schnell schon stellte sich heraus, dass diese eine Person zum Engpass der Kommunikation wurde. Unzählige E-Mails von städtischen Behörden, sozialen Organisationen und einzelnen Bürgern trafen bei dieser einen Person ein und verstopften seinen Eingangskorb. Organisatorisch war das ein Desaster.
Eine Lösung musste her, die dezentrale Organisation ermöglicht. Ein schnell gegründeter Ausschuss fand damals keine geeignete Software auf dem Markt, eigene Entwicklungen hätten immensen Aufwand bedeutet.
Da die Gemeinde mit Podio schon arbeitete, schlug sie vor, dieses Baukastensystem auch für die Verwaltung und Kommunikation im Bereich der Flüchtlingshilfe einzusetzen. Auch wenn es zusammen mit der Bürgerschaft von Lemgo eine ziemliche Herausforderung bedeutete. Zum Glück waren alle lernwillig in der Not. Auf diesem Weg war innerhalb von wenigen Tagen eine komplette digitale Struktur für die Kommunikation aufgebaut.
Eine Flüchtlingshilfe-Kopie als digitaler Klon
Dabei nutzt die Flüchtlingshilfe die Funktionen des Intranets. Das muss man sich vorstellen wir einen Nachbau aller Räume, Gruppen, Kreise und Büros der Flüchtlingshilfe. Diese Internetkopie lässt sich dann gewissermaßen fernsteuern vom heimischen Computer aus. Dabei wurden ca. 300 Bürger*innen blitzschnell in Podio eingeführt durch eine 2-Stündige Schulung. Viele waren 65+ und willig, zu lernen. Sie wussten nun, wo sie sich auf ihren Smartphones oder PCs zu orientieren hatten.
In dieser digitalen Flüchtlingshilfe gibt es alles, was in der wirklichen Welt auch gelebt wird.
- Menschen
Jeder wirkliche Person hat eine digitale Person (mit einem Bild von sich) angelegt, kann dort Adresse und Vorlieben eintragen und sich so für alle bekannt machen. - Marktplatz
Die Funktion „suche“ und „biete“ war gerade in Anfangszeiten entscheiden, weil neben Wohnungen auch Möbel und Kleidung und andere Kleinteile die benötigt wurden. Bürger konnten sogar von der Webseite aus in ein Formular Ihre Angebote und Sachen eintragen, die sie verschenken wollten. 300 Mitarbeitende der Flüchtlingshilfe konnten danach zeitgleich diese digital eingestellten Angebote wahrnehmen und mit ihren Flüchtlingen kommunizieren, was diese davon brauchen konnten. - Events
Wir fanden alle Angebote sollten auch nach Zeit und Datum zu finden sein. Darum gab es eine podio-App (eine Funktion im Intranet) mit Namen Event. Dort wurden dann z.B. alle Sprachangebote, alle Treffen oder andere terminbezogene Hilfestellungen eingetragen. - Wissen
Da die Flüchtlingskrise in Wahrheit vor allem eine Verwaltungskrise war, musste unwahrscheinlich viel Wissen für die ehrenamtlichen Begleiter und Paten und Patinnen gesammelt und von ihnen dann auch genutzt werden. Darum habt die Flüchtlingshilfe eine Podio-App mit allem wichtigen aktuellen Wissen für Paten und betreuende Personen als Wiki angelegt.
– Von Arbeitssuche bis Asylantrag,
– von Krankenhaus bis Mieten fand sich dort alles aktuelle Wissen,
– das immer auf dem neusten Stand blieb.
Das war alles nicht einfach, weil sich Gesetze und Verordnungen sehr schnell änderten. Dank der digitalen Wissens-App gelang dieses Kunststück 12 Monate schneller – bis dann die offiziellen Papierbroschüren kamen… - Verwaltung
Die Verwaltungsprozesse der Angestellten Sozialarbeiter*innen und ehrenamtlichen Ressortleitungen wurden durch einen internen eigenen Bereich geordnet. So konnten Beratungen dokumentiert, Anfragen kanalisiert und am Ende die Wege extrem kurz gehalten werden.
Organisiere deinen Nächsten wie dich selbst.
Da Podio mit Hilfe von Webformularen, die auf Internetseiten eingebunden werden, von allen Menschen von außen beschrieben werden kann, waren Anmeldungen im Internet möglich, wie auch Kontaktaufnahme mit den Büros oder Hilferufe von Bürgern. Alles landete in einer podio-App, die wir als Ticketsystem konzipiert hatten, direkt auf dem digitalen Schreibtisch der Sachbearbeiter. Dabei konnten sich die Mitarbeiter*innen dann bei der Bearbeitung sogar abwechseln und durch Kommentare den jeweiligen Status der Beantwortung dokumentieren.
Warum klappte das in Lemgo so gut?
Wieso ist die Zusammenarbeit mit über 50 Organisationen so reibungslos gelaufen? Neben vielen menschlichen Know-how und großem Engagement von Bürgerinnen und Bürgern war die reibungslose digitale Vernetzung mithilfe eines höchst flexiblen und anpassungsfähigen Werkzeuges wie Podio das Geheimnis frustfreier Mitarbeit in schwierigen Zeiten. Getreu dem Motto: „Organisiere deinen Nächsten wie dich selbst“. Podio wurde zum Symbol und Ausdruck von Menschenfreundlichkeit und Kompetenz.
Die Grenzen der Werkzeuge kritisch wahrnehmen
Die Nutzung von Podio in der losen Gruppe des Bürgernetzwerks hat gezeigt, dass die Plattform vor allem im Vor- und Nachgang von gemeinsamen Workshops oder Schulungen besonders aktiv genutzt wird – was die Annahme bestätigt, dass Face-to-Face-Veranstaltungen notwendig sind, um die Vernetzung im digitalen Raum aufrecht zu erhalten. Digitale Kommunikation allein reicht also nicht.
Die Installation und Nutzung von Podio hat sich dennoch als sehr sinnvoll erwiesen. Unsere nicht geschönte Statistik zeigt:
- Aktive Nutzung durch Einstellungen von Beiträgen geschah vor allem durch die Profis (Füllung des Wissens-Wikis, der Terminplanung usw.)
- Diskussionen unter den Bürger*innen fanden dann rudimentär statt.
- Likes, Bewertungen, Kurzkommentare (wenn sie überhaupt von Bürgern kamen) waren insgesamt sehr verhalten.
- Aber alle konnten mitlesen und erlebten diese stellvertretende Kommunikation.
Völlig anders ist das Nutzerverhalten in intensiven Gemeinschaften, die sich kennen und vertrauen wie Kirchengemeinden oder kleinere Gruppen und Teams. Hier wird oft eine erstaunliche Offenheit gezeigt, die im normalen Smalltalk des Alltags nie so vorkommt.
Möchten Sie auch davon profitieren? Mit neXs.de (einem Projekt von den Kollaborateuren und Pfarrer Helge Seekamp) helfen wir Ihnen und begleiten Sie auf dem Weg in eine strukturierte und vernetzte Teamarbeit.
Melden Sie sich noch heute an unter:
https://www.nexs.de/kontakt/registrieren/
Fotos:
Sven Heinze, Sozialarbeiter der Flüchtlingshilfe Lemgo.